Nachdem sie im Frühjahr 2016 in der Ausstellung Empty Rooms – Von der Schönheit der Leere mit drei Fotoserien vertreten war, hat sich die Wiesbadener Fotokünstlerin Nicole Ahland noch im gleichen Jahr als Artist in Residence auf Motivsuche begeben – im Spätsommer sowie im Winter. Nicole Ahlands künstlerische Arbeit besteht im Erfassen von Räumen. Mittels analoger Fotografie legt sie seit Jahren ein Archiv von Innenräumen an. So hat sie sich mit historischen, sakralen, politischen und musealen Räumen, Schlössern, Gutshäusern, Gaststätten, Krankenhäusern, Bibliotheken, Lagern, Dachböden und Kellern beschäftigt.
Und auch auf Föhr hat sich die Künstlerin in leerstehenden oder sich im Umbruch befindenden Gebäuden inspirieren lassen. „Räume sind ein Spiegel unserer Gesellschaft“, sagt sie. Das sich ständig verändernde Licht an der Nordseeküste hat sie dabei nachhaltig beeindruckt.
Künstlerin bei der Arbeit © Dirk Uebele, 2023
Während ihres ersten Aufenthaltes auf der Insel erfuhr Nicole Ahland, dass die Produktion eines analogen Filmmaterials, das sie für ihre Arbeit benötigt, künftig eingestellt wird. Ihre Reaktion: Sie baute eine Camera Obscura, auch Lochkamera genannt. Als Grundlage dienten einfachste Materialien, die sie in der Artist-in-Residence-Wohnung in Alkersum fand.
Diese selbstgebaute Kamera benötigt besonders viel Licht, weswegen Nicole Ahland mit ihr nicht, wie gewöhnlich, in Innenräumen unterwegs war, sondern mit Weite, Meer und Licht experimentiert hat. Außerdem betont die Künstlerin: „Auf der Insel dominiert das Draußen. Die Natur ist überwältigend.“
Künstlerin bei der Arbeit © Dirk Uebele, 2023
Unterstützt von Handykameras entstünden jeden Tag weltweit Millionen perfekter Bilder von Himmel und Meer. Bei der Arbeit mit der archaischen und effektfreien Camera Obscura hingegen gehöre auch das Misslingen dazu. Es mache die rare Auswahl gelungener Ergebnisse – allesamt Unikate – umso wertvoller und begeisterungsträchtiger. Acht Ergebnisse dieser Serie lassen sich in der Sammlung Online des Museums Kunst der Westküste entdecken.
Über den Jahreswechsel 2022/23 hat Nicole Ahland erneut Zeit auf Föhr verbracht. „Ich habe einen überraschend anderen Himmel als vor sechs Jahren entdeckt“ – durch dieselbe Camera Obscura. „Dieses milde Winterlicht auf Föhr ist einfach phänomenal!“
Im August 2024 kehrte Nicole Ahland zwecks Vorbereitungen der Gruppenausstellung Erinnern – Fotografische Positionen von Nicole Ahland, Corina Gertz und Kris Scholz (22.9.2024–1.7.2025) auf die Insel zurück. Neu entdeckt und fotografiert hat die Künstlerin ein über 300 Jahre altes Friesenhaus mit bewegter Inselgeschichte, das nun behutsam restauriert wird. Mit Blick auf die Orte, die sie bei ihrem ersten Aufenthalt 2016 ausgekundschaftet und fotografiert hat, stellt sie fest: „Die Insel verändert sich ständig. Vielleicht ist das auf den ersten Blick nicht ersichtlich und einige Tourist*innen scheint es zu gefallen, dass hier alles noch so ist, wie sie es vor Jahren bei einem Besuch in Erinnerung behalten haben. Mein Blick hinter die Fassaden bezeugt etwas anderes. Im Detail betrachtet zeigt sich der permanente Wandel Föhrs und somit auch die gesellschaftlichen Veränderungen.“