Kunst auf Reisen Bei Nachbarn zu Besuch

Bei Nachbarn zu Besuch – Über 15 Highlights des Museums Kunst der Westküste im dänischen Tondern

 

Eine illustre Gruppe von fünfzehn hochkarätigen Werken aus dem Museum Kunst der Westküste hat sich vor wenigen Wochen auf eine kurze, aber feine Reise von Föhr nach Tondern gemacht. Das Ziel war das Kunstmuseum – bereits seit der Eröffnung des MKdW verbindet beide Häuser eine kollegiale Zusammenarbeit. Im 100. Jubliäumsjahr der Volksabstimmung im deutsch-dänischen Grenzland werden unter dem Titel Medgang & Modgang – Udvekslinger mellem dansk og tysk kunst [frei übersetzt: In guten und schweren Zeiten – Austausch zwischen dänischer und deutscher Kunst] 200 Jahre Kunstgeschichte beider Länder und ihre gegenseitigen Einflüsse thematisiert. Die große Ausstellung, die sich auf alle Räume des Kunstmuseums farbgewaltig erstreckt, zeigt noch bis zum 6. Dezember 2020 mehr als 100 Werke der museumseigenen Sammlung und zahlreicher institutioneller und privater Leihgeber.

 

  

 

 

Wenn wertvolle Kunstwerke reisen, beinhaltet das wohl einen ähnlichen organisatorischen und logistischen Aufwand wie bei einem Bundesminister oder gar einem Mitglied aus hochadeligem Hause. Es gibt hohe Sicherheitsvorkehrungen, einen spezialisierten Transport – das Fahrzeug klimatisiert und besonders stoßgefedert, versteht sich – und natürlich Begleitpersonal, das alles überwacht. Bei den Leihgaben heißt das, das hoch spezialisierte Transportunternehmen baut eigens für die reisenden Werke Klimakisten. Das ist nicht etwa, wie man dem Namen entlehnen möchte, eine Kiste mit Klimaanlage, sondern ein Behältnis aus Holz oder Metall, das durch entsprechende Isolierung und luftdichte Verschlussmöglichkeit das einmal angenommene Raumklima über längere Zeit konstant hält. Beim Transport von Gemälden und Kunstwerken auf Papier ist das sehr wichtig, da sich bei Temperaturschwankungen die Leinwand schnell ausdehnt oder zusammenzieht, so kann es zu Rissen, schlimmsten Falls zu Farbablösungen kommen.

 

  

 

Die Kostbarkeiten machen sich also höchst sorgfältig und professionell verpackt auf den Weg von Alkersum nach Tondern. Für das Transportunternehmen bedeutet die Anfahrt unseres Museums auf der Insel einerseits eine willkommene Abwechslung – besonders freuen sich die Fahrer über Touren in den Sommermonaten – andererseits eine logistische Herausforderung: Die Fähre muss rechtzeitig gebucht werden, die besondere Route nach Nordfriesland möglichst praktisch sowie zeit- und ressourcensparend geplant werden. Denn im Unterschied zu Museen in Hamburg, Berlin oder auch Kopenhagen hat das MKdW geografisch einen einzigartigen Standort, der jenseits der üblichen Routen von Kunstspeditionen liegt.

 

 

Wenige Tage nachdem die Kunstwerke abgeholt und sicher in Tondern angekommen sind, machte ich mich auf die Reise und fuhr hinterher. Um die Kollegen in Tondern zu unterstützen und ein sicheres Handling der Schätze sicherzustellen, war ich beim Auspacken der Leihgaben dabei. Bewusst erst einige Tage später damit die Klimakisten die Luftfeuchte und Temperatur des Kunstmuseums in Tondern annehmen konnten. Anhand von Zustandsprotokollen prüfte eine dänische Restauratorin auf das Genaueste, ob während des Transportes Veränderungen eingetreten sind. Nach ihrer Freigabe brachten zwei freundliche Kollegen des Kunstmuseums jedes Gemälde an seinen, von der Kuratorin zugedachten, Platz – natürlich mit größter Vorsicht und Samthandschuhen, na gut, eigentlich waren es Baumwollhandschuhe.

 

Für mich war es spannend und eine große Freude unsere vertrauten Werke in ganz anderen Räumen mit anderen Farb- und Lichtverhältnissen zu sehen. Die Ausstellung arbeitet mit einem großartigen Farbkonzept das jeden einzelnen Themenbereich besonders hervorhebt. So strahlt ein Hauptwerk unserer Sammlung – Drei Fischer ziehen ein Boot von dem in Skagen tätig gewesenen Maler Peder Severin Krøyer – auf einem kräftigen Petrolton. Christian Morgensterns Norwegische Gebirgslandschaft am Slidrefjord mit seinen satten Braun- und Grautönen wiederum erhält auf der lichtgelben akzentuierten Fläche, die auf der rosefarbenen Wand liegt, eine besondere Weichheit.

 

 

Auch wenn viele gern gesehene Werke jetzt in Tondern ausgestellt sind und unsere Besucher, genauso wie wir vom MKdW, sie womöglich vermissen: Die Lieblingswerke in anderem Lichte und neuem Kontext zu betrachten, ist eine Bereicherung und ermöglicht einen frischen Blick. Das Kunstmuseum in Tondern zeigt neben der Ausstellung, die das MKdW unterstützen darf, eine ständige kulturhistorische Sammlung mit Kacheln und Fayencen, Kunstgewerbe, einen historischen Kerker und Möbeln, darunter eine Vielzahl von Stühlen der Designikone Hans J. Wegner – ein berühmter Sohn der Stadt. Und das Beste: Man darf alle Stühle im renovierten Wasserturm ausprobieren. Wenn all das nicht eine Reise wert ist – mag sie auch hoffentlich etwas unkomplizierter sein als die unserer Leihgaben.

 

Katrin Petersen M.A.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Registrarin, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr

 

Die Ausstellung ‚Medgang & Modgang – Udvekslinger mellem dansk og tysk kunst‘ ist noch bis zum 6. Dezember 2020 im Kunstmuseum Tondern, Museum Sønderjylland, zu sehen.

 


 

Abbildungen v.o.n.u.

 

Hans Olde, Heimatstrand, 1885, Museum Kunst der Westküste 

 

Peder Severin Krøyer, Vier Frauen und ein kleines Mädchen am Meeressaum, um 1894, Museum Kunst der Westküste 

 

Otto H. Engel, Vor dem Spiegel (Käte Lorenzen), 1910, Museum Kunst der Westküste

 

Christian E. B. Morgenstern, Norwegische Gebirgslandschaft am Slidrefjord, 1829, Museum Kunst der Westküste, Foto: Lukas Spörl

 

Klimakiste: Peder Severin Krøyer, Drei Fischer ziehen ein Boot, 1885, Foto: Katrin Petersen

 

Zusandüberprüfung: Peder Severin Krøyer, Vier Frauen und ein kleines Mädchen am Meeressaum, um 1894, Foto: Katrin Petersen

 

Ausstellungsansicht: Medgang & Modgang, 2020, Kunstmuseum Tondern, Foto: Kenneth Stjernegaard